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4. Mai 2024, 16:00 Uhr

Auricher Amtsgericht muss entscheiden: Was ist, wenn der Polizeieinsatz eskaliert?

Es geht auch um die Frage, was Beamte dürfen und was nicht

Lesedauer: ca. 2min 52sec
Der Polizeidienst ist schwer. Aber auch für Polizisten gelten Regeln und Grenzen. Symbolfoto: dpa

Der Polizeidienst ist schwer. Aber auch für Polizisten gelten Regeln und Grenzen. Symbolfoto: dpa ©

Wie gewalttätig darf ein Polizist bei der Ausübung seines Dienstes sein? Diese Frage beschäftigt weiterhin das Landgericht Aurich im Prozess gegen zwei ehemalige Polizisten, die in Emden eingesetzt waren.

Am zweiten Verhandlungstag ging es um einen Vorfall, an dem am 21. Mai 2021 nur der 27-jährige Angeklagte beteiligt war. Er hatte mit einer Kollegin einen Einsatz wegen Ruhestörung zu bewältigen. Nachbarn meldeten sich bei der Polizei, weil überlaute Musik aus der Wohnung eines heute 38-jährigen Emders schallte.

Dass die Musik etwas laut war, räumte der 38-Jährige vor Gericht ein. Sie war sogar so laut, dass er das Klingeln und Klopfen der Streifenwagenbesatzung zunächst nicht hörte. Seine Bekannte, die zu Besuch war, machte ihn darauf aufmerksam.

Bei dem, was der Zeuge dann schilderte, hätte man eher mit einer Anklage gegen ihn selbst wegen Widerstands gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gerechnet. Denn als er die Tür öffnete und die Uniformierten sah, wollte er sie gleich wieder zuschlagen. Er habe sich erschrocken, als er Polizei sah, meinte der Zeuge, er habe mit einem Nachbarn gerechnet. Der Angeklagte hatte einen Fuß in den Türspalt gestellt. Beide Männer drückten gegen die Tür. Der Polizist behielt die Oberhand und betrat mit seiner Kollegin die Wohnung.

Daraufhin eskalierte die Situation. Es war der Zeuge, der den Polizisten an den Handgelenken ergriff. „Haben Sie seine Handgelenke verdreht“, wurde der Wohnungsinhaber im Gerichtssaal befragt. „Er wollte sich befreien und hat sie dabei selbst verdreht“, lautete die Antwort des Zeugen.

Schließlich gelang es dem Angeklagten, eine Hand aus dem Griff zu lösen. Doch der Zeuge drückte ihn gegen die Brust. Dabei könne es passiert sein, dass seine Hand gegen den Hals des Polizisten „gerutscht“ sei, sagte der Zeuge. Der Angeklagte hatte in seiner Einlassung durch seine Verteidigerin hingegen behauptet, dass der Wohnungsinhaber ihn gewürgt habe, was der 38-Jährige wiederum bestritt. Am Hals des Angeklagten wurden aber Würgemale fotografisch dokumentiert.

In dieser Situation soll der Angeklagte dem Zeugen einen ersten Schlag ins Gesicht versetzt haben. Bei diesem einen Schlag soll es aber nicht geblieben sein. Fakt ist, dass der Zeuge am Ende ein Monokel-Hämatom, sprich ein blaues Auge hatte. Auch die Lippe innen war aufgeplatzt. Außerdem wiesen beide Männer Blessuren an Armen und Händen auf.

Der Zeuge war schließlich zu Boden gebracht worden und sollte gefesselt werden. Doch der 38-Jährige weigerte sich, seinen zweiten Arm auf den Rücken zu legen. „Warum haben Sie sich nicht gleich Handschellen anlegen lassen?“, fragte die Verteidigerin den Zeugen. „Konnte ich ja schlecht. Er hat mich ja immer wieder geschlagen.“

Das ganze Geschehen war so brisant, dass Polizei-Verstärkung herbeigerufen wurde. Denn die Kollegin des Angeklagten hatte auch mit der Bekannten des Wohnungsinhabers viel zu tun. Die Frau wollte immer wieder ihrem Freund zu Hilfe eilen. Der Zeuge meinte, sie habe nur „schlichten“ wollen. Die Polizistin schloss sie schließlich ins Wohnzimmer ein. Die Frau schlug ein Loch in die Tür.

Einer der Polizisten, die zur Verstärkung herbeigeeilt waren, konnte sich kaum noch an diesen Einsatz erinnern. Das war vor drei Jahren anders, als er selbst als Zeuge von der Polizei vernommen wurde. Damals berichtete er davon, dass der Wohnungsinhaber auch im gefesselten Zustand immer noch verbal aggressiv war. Er hatte demnach auch mitbekommen, wie der 38-jährige Emder seinen nun angeklagten Kollegen auf der Fahrt zur Polizeiwache bedrohte. „Er sagte sinngemäß: Ich finde raus, wer du bist. Ich werde meine Rache bekommen. Du wirst sehen, was du davon hast“, war im Protokoll festgehalten worden.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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